Giovanni Antonio Boltraffio wurde 1467 in Mailand geboren und lernte bei niemand geringerem als Leonardo da Vinci das Kunsthandwerk in der Mailänder Werkstatt, der er 1491 beitrat. Im Zeitraum zwischen 1500 und 1510 erschuf er ein Gemälde, für das womöglich Giolamo Casio, ein bekannter Dichter aus Bologna und Freund Boltraffios, Modell stand. Im Gemälde, das heute als "Portrait of a Youth holding an Arrow" bezeichnet wird, ist ein fein ausgestatteter Jüngling zu sehen, der einen detailliert dargestellten Pfeil in seiner rechten Hand hält.1
Aufgrund der genauen Darstellung ist es möglich, eine moderne Interpretation dieses Pfeils anzufertigen. Das Besondere an der Darstellung ist der Realitätsgehalt, der uns erlaubt, den Pfeil so zu gestalten, wie er am Bild zu sehen ist. Hierbei sticht zu Beginn die fehlende Wicklung im Bereich der Federn ins Auge. Dies lässt darauf schließen, dass die Federn, für die Gänse- oder Schwanenfedern in Frage kämen, auf dem Schaft des Pfeils aufgeklebt wurden. Dies stellt ein, für diesen Zeitraum noch sehr ungewöhnliches Produktionsverfahren dar. Als Kleber darf Hautleim als wahrscheinlich angenommen werden. Erst danach kann die Farbe aufgetragen werden. Gemäß der zeitgenössischen Technik für Malfarben kommt Eitempera nach dem Rezept von Cennini zur Anwendung.2 Eigelb, Wasser und Leinöl sind die Grundlagen der Emulsion, die mit den passenden Farbpigmenten vermischt werden.
Die dekorativen Ringe (Crestings) sind am Porträt eindeutig zu erkennen, allerdings lässt sich nicht feststellen, welche Farbe oder gar Material dargestellt werden soll. Meinungen von Kunsthistoriker*innen wurden eingeholt, welche drei unterschiedliche Varianten entstehen ließ: Blattgold, Blattsilber oder weiße Eitempera-Farbe.
Das Porträt zeigt leider nicht die andere Hälfte des Pfeils, daher können über die Spitzen nur Vermutungen angestellt werden. Ein so reichlich geschmückter Pfeil dürfte am ehestens als repräsentativ bezeichnet werden, was den Einsatz im Bereich des sportlichen Bogenschießens oder des Zeitvertreibs in höheren gesellschaftlichen Schichten am wahrscheinlichsten macht. Daher befinden sich einfache historische Scheibenspitzen an den Schäften der Interpretationen.
1 Giovanni Antonio Boltraffio, Portrait of a Youth Holding an Arrow, ca. 1500-1510, 19 5/8 x 14 in (49.7 x 35.4 cm), Putnam Foundation, Timken Museum of Art.
2 Das Buch von der Kunst oder Tractat der Malerei des Cennino Cennini da Colle di Valdelsa (= Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance), übersetzt von ILG Albert, Wien 1871.
