Historical craftmanship

The following text is currently only available in German. It originates from a chapter of my dissertation and will soon be available in English as well.

 

Der folgende Text entstammt meiner Masterarbeit über die spätmittelalterlichen Bogner und Pfeilschnitzer in Österreich (eingereicht 2015 an der Karl-Franzens-Universität Graz) und wurde im Zuge der Ausarbeitung meiner Dissertation folgendermaßen gekürzt:

 

Die Bogner und Pfeilschnitzer gehörten zu den ältesten geordneten Gewerben Wiens und galten als privilegierte und hoch angesehene Handwerker. Als sie vor 1230 ihre erste Handwerksordnung erhielten, dürften sie noch den klassischen Handbogen und die dazugehörigen Pfeile gefertigt haben, im Laufe des Spätmittelalters wandelten sich deren Erzeugnisse zu Armbrust und Bolzen. Albrechts II. Handfeste aus dem Jahr 1340, damit in der zeitlichen Umgebung der ältesten Ordnung, setzt den Gebrauch von Handbögen und Armbrüsten in der Stadt unter Strafe:

 

„Wir wellen ouch und setzen und gebieten den satz vestichleichen zu behalten: Ob ieman ab dem lande oder ein gast 
in die stadt chumt mit geladem armbrust oder pogen und will einen purger oder ander ieman in der stat laydigen und 
wirt begriffen, daz er ieman hab gelaydigt oder nicht hab gelaydigt, den sol man nach der tat, und er begangen hat, 
puezzen, als der rat ervindet. Wer aber in der stat gesezzen ist und sich gegen einen andern purger mit gespannten 
pogen oder armbrusten werlich ertzaigt oder ieman schaden tut, den sol der richtter puezzen nach des rates rat.“1

 

Das noch ältere Stadtrecht von 1221 verbot zudem das Betreten der Stadt mit gespanntem Bogen.2 Nachweise für eine spätmittelalterliche Herstellung, für den privaten oder städtischen Besitz sowie für die Verwendung von Handbögen lassen sich in den Quellen nicht finden. Daher muss angenommen werden, dass die Armbrust spätestens gegen Ende des 14. Jahrhunderts den Bogen hierzulande verdrängt hatte. Begrifflich begegnen uns die (haws)pheil der Pheilsniczer weiterhin, allerdings bezog man sich damit auf die Armbrustbolzen.

 

Die geographische Verortung der Handwerker im städtischen Gebiet gestaltet sich sehr einfach und zeugt von deren Bedeutung. Der als inter arcatores genannte Bereich befand sich unmittelbar in der Nähe des herzoglichen Hofes und wandelte sich über die Zeit hinweg zur Bognerstraße, die nahe dem Peilertor zwischen der alten und der neuen Burg verlief.3 Bogner mussten sich in dieser Straße niederlassen4, während Pfeilschnitzer in der Straße under den Pheilsniczern neben Handwerker anderer Gewerbe oder an anderen Orten in der Stadt ihre Werkstätten betrieben.5

 

Das Verbot von Turmbehausungen in der Handwerksordnung der Bogner in Wien von 1481 stellt dahingehend einen besonderen Einblick dar, da in Steyr einzelne Bogner verpflichtet waren, ihre Werkstatt in einem Turm einzurichten. Wir wissen von Chunraden dem Pogner auf dem Turn ze Steyr6 sowie von Fridreich dem Pogner auf dem Turn ze Steyr, die beide in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts lebten.7

In der Verordnung Rudolfs IV. vom 20. Juli 1361 erfahren wir von der Auflösung aller Zechen und Einungen. Es erfolgt die Abnahme sämtlicher zuvor ausgestellten Freibriefe […] umb freyung der schatzstewr, daz di ab sein und furbaser kain kraft mer haben, es sein […] pogner, kirbawner, pheilsnitzer […] und auch all ander, die ee freyung gehabt habent, daz die furbaser ewiglich mit der stat leyden und dienen sullen […].“ Demnach waren Bogner, Pfeilschnitzer und auch Kurbaner privilegiert, indem sie von der Schatzsteuer befreit waren. Uhlirz äußert die Vermutung, dass einerseits die Verpflichtung zur Stadtverteidigung, andererseits der Zwang über einen bestimmten Niederlassungsort die Befreiung von der Schatzsteuer begründeten.8 Die Aufgabe der Verteidigung der Mauern betraf zuvor anscheinend nur die Bogner und Pfeilschnitzer:

„Auch sullen die obgenanten unser burger ze Wienn uns, unsern brudern, erben und nachkomen allen den dinst tun, den
uns die obgenanten unser burger und pheilsnitzer getan habent in der stat und vor der stat, wenn wir des bedurffen und
sy vordern ze andern dinsten, den sy uns selber tun sullen.“9

 

Kraft dieser Verordnung musste jeder Bürger der Stadt Wien im Bedarfsfall die Stadtmauer verteidigen. Zwar ist hier die Rede von unser burger und pheilsnitzer, hierbei dürfte es sich aber seitens des Abschreibers um eine Verschreibung für „Bogner“ handeln, denn ansonsten ergäbe dieser Artikel in der Verordnung Rudolfs IV. keinen Sinn. Da es sich um eine Abschrift im Eisenbuch handelt, kann davon ausgegangen werden, dass sich bei der Tradierung der Originalurkunde der Fehler eingeschlichen hat.

Nur fünf Jahre später, kurz nach dem Tode Rudolfs, standen Zechen wieder an der Tagesordnung und ältere Rechte wurden von seinen Nachfolgern Albrecht III. und Leopold III. bestätigt. Dies trifft auch auf die älteren Rechte der Bogner, Pfeilbauer und Kurbaner zu, die von Leopold VI. und Friedrich II. rund 130 Jahre zuvor ausgestellt worden war.10

Ein weiteres Privileg für die Handwerker betrifft die Aussteller der Urkunde(n). Bürgermeister und Rat der Stadt übten stets das Recht aus, Ordnungen zu erlassen.11 Mit Rudolfs Satzung von 1364, wird dies verschriftlicht und näher bestimmt, dass „[…] niemant in dhainerlei hantwerch dhain gesetzt, ordnung oder gebot mach oder aufsetz, denn alain der burgermaister und rat der vorgenanten stat ze Wienn […]“.12 Da allerdings die Landesfürsten selbst Ordnungen für Handwerke erließen und diese damit zu landesfürstlich-privilegierten Gewerben machten, schmälerten sie zugleich das dem Rat und Bürgermeister zugestandene Recht.13 Dies traf auf die Bogner, Pfeilschnitzer und Kurbaner zu, die dadurch von der städtischen, respektive bürgerlichen Gerichtsbarkeit ausgenommen und der landesfürstlichen Gewalt unterstellt wurden.

Selbst 1481 behielt sich Friedrich III. das Recht vor, eigenhändig Streitigkeiten zwischen den Bognern zu klären. Davon ausgenommen waren Auseinandersetzungen mit tödlichem Ausgang. Trotz dieser Emporhebung waren die Bogner dazu verpflichtet, sich gegenüber der Stadt und der Gemeinde gehorsam zu verhalten.

„Unnd ob sych auch yetzuzeitn unnder deselbn [!] unnsern pognern icht krieg oder belaidigung mit wortn oder mit 
werhn begàbm, das doch den tod nicht berùrt, des sol sich unnser richtter hie, wer der yezuzeittn sein wirdet, nicht 
annem noch sy darumb in kainerlay weise straffn noch ze puessn habn, sonnder wir mugn solhs, wem wir welln, bevelhn 
furzenemen unnd darinn, als sich gepurdt, hanndlnn. Doch sulln sich die egenanntn pogner gen unnserm burgermaister, 
richter und rate als getrew inwoner in alln sachn den gemainn nutz und aufnemen der statt hie berurunde gehorsamlich haltn 
und in von unnsern wegn gewarttig sein.“14

Die Privilegierung dieser Gewerbe hing natürlich auch mit dem Bedarf an deren Produkten zusammen, immerhin fertigen die Handwerker Waffen und Munition für die landesfürstlichen Truppen.15 Dass sich dahingehend Aufträge mit teils sehr hohen Stückzahlen in den Quellen wiederfinden lassen, ist nicht sehr überraschend.

Im Gegensatz zu den größeren Gewerben, die den alltäglichen Bedarf deckten, wie sämtliche Nahrungsmittel- oder Bekleidungsgewerbe, ist die Quellenlage für Bogner und Pfeilschnitzer – ungeachtet der geringeren Größe des Handwerks – dennoch relativ gut. Es sind wertvolle Quellen erhalten geblieben, die über Privilegien, Verbote und sonstige Bestimmungen Auskunft geben. Für Wien lässt sich anschließende Ordnungsabfolge festhalten:

 

Das älteste erhaltene Wiener Recht für die maister der Pogner, der Pheilsnitzer vnd der Kurbawner, erhielten diese als Gesellschaft. Neben den beiden bekannten Handwerken, gehörten zu dieser Gesellschaft auch die Kurbaner, deren tatsächliche Tätigkeit unterschiedlichen Deutungen unterliegt. Da sie sich jedoch in ein und derselben Gesellschaft mit den Bognern und Pfeilschnitzern befanden, dürften sie naheliegenderweise etwas mit Pfeil und Bogen zu tun gehabt haben. Joseph Feil war der erste, der vier Deutungsmöglichkeiten in den Forschungsdiskurs einbrachte: 1. Kurbel- und Windenmacher (Spannhilfen für die Armbrust), 2. Sehnenmacher, 3. Köchermacher, 4. Lederhandwerker. 

Nach ihm dürfte es sich bei den Kurbanern um Handwerker gehandelt haben, die „Corduanleder“ (Ziegen- und Bocksleder) bearbeiteten. Er war zudem der Auffassung, dass die Kurbaner nicht zwingend mit den Bognern und Pfeilschnitzern im selben Tätigkeitsfeld aktiv gewesen sein mussten. Er lieferte dazu die Überlegung, dass alle drei Handwerke womöglich diesselben Rechte erhielten, da ihre Niederlassungen sich in unmittelbarer Nähe befanden.16

Dem widerspricht Karl Uhlirz und sieht in den Kurbanern Handwerker, die wichtige Bestandteile für Bogner und Pfeilschnitzer zur Weiterverarbeitung herstellten. Weiters scheint es, dass Uhlirz eher ein Vertreter der Theorie der Winden- und Flaschenzughersteller war.17 Dieser Annahme schließt sich auch Rudolf Büttner an.18 Als Hersteller für Korduanleder sieht wiederum Richard Perger die Kurbaner, während Holger Richter die Handwerker für Köchermacher hält.19 Eine letztgültige Interpretation scheint kaum möglich, da weitere Quellen hierzu fehlen.

Kehren wir zurück zum ältesten uns bekannten Recht für die eben genannte Gesellschaft, das aus der Zeit der Herzöge Leopold VI. und Friedrich II. von Österreich stammt. Da dieses nicht später als 1230 entstanden sein konnte, stellt es zugleich eines der ältesten Belege für ein organisiertes Handwerk in Wien dar. Wir wissen von diesem Privileg nur durch eine Bestätigung der darin enthaltenen Rechte vom 19. Mai 1366, ausgestellt von Albrecht III. und Leopold III. Genaue Bestimmungen lassen sich darin allerdings keine finden, es werden lediglich „[…] Ir freihait Recht gnad vnd gut gewonhait von alter herbracht […]“ erneuert. Der erste Erlass, der genauere Einblicke in die Struktur des Handwerks der Bogner ermöglicht, stammt vom 30. April 1438, ausgestellt von Albrecht V. und ebenfalls nur als Abschrift tradiert. Die erste Tradierung erfolgte durch die Bestätigung und Erweiterung der Rechte durch Ladislaus Postumus am 25. April 1453.20 Die zweite Überlieferung der Ordnung aus dem Jahre 1438 stammt von Friedrich III., der am 15. September 1481 den pogner bestètbrief ausstellte.21 Interessanterweise wurden dabei die Bestimmungen durch Ladislaus nicht tradiert oder übernommen. Eine jüngere Ordnung, aufgesetzt im Jahre 1597, stammt erneut aus Wien. Zu diesem Zeitpunkt waren die Pfeilschnitzer als Handwerk bereits verschwunden und die Bogner mit den Büchsenschäftern in einer Gesellschaft verbunden.

Im Falle der Pfeilschnitzer besitzen wir vier Urkunden, die sich namentlich auf dieses Handwerk beziehen. Die Erste ist die bereits angeführte Ordnung von 1366, die für Bogner, Pfeilschnitzer und Kurbaner erstellt wurde. Bis spätestens 1438 waren Bogner und Pfeilschnitzer in einer Gesellschaft miteinander vereint, daher galten für Handwerker beider Gewerbe dieselben Rechte. Die Ordnungen beider Handwerke von 1438 zeigen auf, dass man von nun an getrennte Wege ging. Am 30. April wurde eine eigenständige Ordnung für die Bogner erstellt, nur rund drei Wochen später eine für die Pfeilschnitzer. Auch dieses Schriftstück ist nur in Form einer Abschrift tradiert, denn nur sieben Jahre später, am 12. Mai 1445 erneuerte und erweiterte Friedrich III. die Rechte der Pfeilschnitzer. Dem Verfasser dieser Abschrift ist dabei allerdings ein Fehler unterlaufen, denn er betitelte den Eintrag als Abschrift der pogner pheilsniczer vnd Kurbawnerbrief, doch tatsächlich handelt es sich lediglich bei der darin befindlichen Tradierung der Privilegiumsbestätigung von 1366 um diese drei Empfänger. Die Bestimmungen für 1438 (24. Mai) und 1445 betreffen alleinig die Pfeilschnitzer. Die letzte Ordnung der Pfeilschnitzer wurde 1453 durch Ladislaus Postumus ausgestellt, der ihnen die Rechte von 1438 bestätigte und den Inhalt von Friedrichs 1445 erstellten Freiheitsbrief beinahe wortgleich als eigene Verfügung ausgibt, ohne jedoch dabei auf Friedrich hinzuweisen.

Neben den zahlreichen wirtschaftlichen Bestimmungen in den Ordnungen, die erneut die außerordentliche Stellung der Handwerker durch deren Vorkaufsrechte hervorheben, sind es Artikel zu ihren Erzeugnissen die besonders beachtenswert sind.

Nachdem Bogner und Pfeilschnitzer Waffen und deren Zubehör fertigten, lohnt es sich, den Bestimmungen zum Erwerb der Meisterschaft zu widmen. Bognern wurde vorausgesetzt, dass sie neben dem Zeugnis zur notwendigen Fähigkeit für das Handwerks auch zwei Armbrüste als Meisterstücke herzustellen hatten. Die bessere davon ging zusammen mit einem gerittertn schieszeug an den Landesfürsten, die andere mit slechten (schlichtem) schieszeug an den landesfürstlichen Anwalt.22 Ähnlich verhielt sich das bei den Pfeilschnitzern, die ein „[…] gantz Armbst vnd ainen Schiesszeug mit seiner zugehörung alles new berait Vnd mit Ritters Zeug beslagen […]“ in die fürstliche Kammer zu Österreich sowie ainen Newen Schiesszeug mit seiner Zugehörung in die Bruderschaft der Pfeilschnitzer übergeben mussten.23 Dies blieb allerdings nicht in der Bruderschaft, sondern sollte von dort aus dem Landmarschall übermittelt werden. Ein explizites Meisterstück gab es nicht, was anhand der Erzeugnisse des Handwerks auch wenig verwunderlich ist. Anhand dieser Bestimmungen ist das landesfürstliche Bestreben, die Handwerker und deren Erzeugnisse an sich zu binden, erneut gut erkennbar.

Dasselbe spiegelt sich auch im Umgang mit gehandelten oder als unrechtmäßig deklarierten Waren wider. Entdeckte man valsche vnd vnrechte Arbeit in Wien, hatten die zwei zuvor gewählten Vertreter der Pfeilschnitzer dafür zu sorgen, dass die aufgegriffenen Waren ordnungsgemäß abgeliefert wurden. 1438 galten der Landesfürst oder dessen Anwalt als Empfänger, 1453 nur mehr der Landesfürst.24 Für die Bogner setzte man vorerst ein anderes Vorgehen fest. Das Verbot neues Holz auf eine alte oder neue Armbrust zu schlagen, sollte verhindern, dass Handwerker Armbrüste die bereits vor einiger Zeit hergestellt wurden, als neuwertig zu verkaufen. Anstatt wie üblich die Waffe einzuziehen wurde dem Handwerker die Armbrust zersägt. Diese unrentable Vorgehensweise dürfte man erkannt und dagegen aufbegehrt haben, denn durch die Bognerfreiheit von 1481 wurde ihnen fortan erlaubt, alte Armbrüste doch neu decken zu dürfen. Diese mussten aber dementsprechend ausgewiesen werden, da ansonsten Strafzahlungen anfielen.25

Ein Verbot das ganz besonders aus den Ordnungen hervorsticht, betrifft den Handel von Armbrüsten in der Stadt. Dazu heißt es im Brief von 1481, dass „[…] niemmands kain new armbst noch gemecht weder in der jarmerkhtn, freyungen noch zu anndern zeittn herbringen, furn noch feil hie haben.“ Erkannte man aber einen geheimen Handel, sei es auf den Märkten, in Herren-, Bürger- oder Gasthäusern oder in Gewölben, wurde das betroffene Gut eingezogen. Eine Hälfte davon ging an den Landesfürsten, die andere an die Wiener für den städtischen Vorrat. Bemerkenswert dabei ist das vorab festgehaltene Zugriffsrecht auf die Produkte der Bogner, das dem Landesfürsten im Tausch für die andere Hälfte der eingezogenen Waren eingeräumt wurde:

„[…] uns vorbehalten, wir oder unnser erbn ye zu zeittn ainer antzal armbst, der sy selbs nicht hietn, bedurffn wurdn, die 
sulln unns dieselbn unnser porgner und nicht die gesst in ainem ziemlichn werde zubegn bringen, unnd die nach 
notturfften besichtn und beschiessn, dardurch wir damit versehn seinn.“26

Ebenso behielt es sich der Landesfürst vor, Bolzen die nach Wien gelangten zuerst zu erwerben. Erst danach hatten die Pfeilschnitzer das Recht, die Waren aufzukaufen. Am Ende der Reihenfolge standen schließlich die übrigen Personen, die allerdings zuvor die Einwilligung des Landesfürsten für den Kauf einholen mussten.

Der wohl denkwürdigste Artikel betraf die Fortsetzung der Werkstatt im Falle des Ablebens des Handwerksmeisters. In Wien war es Witwen gestattet, den Betrieb zunächst fortzuführen, je nach Gewerbe war jedoch vorgeschrieben in einem bestimmten Zeitraum erneut zu heiraten. Der neue Ehemann musste allerdings aus demselben Handwerk stammen, ansonsten wurde die Gewerbeausübung untersagt.27 Die dazugehörigen Bestimmungen der Pfeilschnitzer aus dem Jahre 1445 sind für Wien einzigartig:

„Item ob ain witib pheilsniczer handwerchs dasselb hantwerch nach Irs mans abgang lenger handln
wolt, 
das mag Sy tun doch mit der andern maister wissen vnd willen vngeuerlich.“28

 

Den Witwen war die Fortführung des Betriebes auf Dauer gestattet, sofern die übrigen Meister des Handwerks zustimmten. In den Quellen lässt sich sogar eine Pfeilschnitzerin ausmachen, nämlich Trolline die pheilsniczerinn, die wir in Quellen für die Jahre 1368 und 1373 nachweisen können.29 Darin wird sie weder als Gattin noch als Witwe eines Meisters bezeichnet, der generell in keinem Zusammenhang erwähnt wird. Die genauen Umstände sind rein spekulativ, womöglich übte sie seit jeher dieses Handwerk aus oder sie übernahm die Werkstatt nach dem Ableben ihres Mannes. Letzteres würde bedeuten, dass dieses besondere Recht schon weit vor der Niederschrift von 1445 Anwendung fand.

 

 


 

1 CSENDES Peter, Die Rechtsquellen der Stadt Wien (= FRAU III/9). Wien / Köln / Graz, 120.
2 Zitiert nach: CSENDES Peter, Das Wiener Stadtrechtsprivileg von 1221. Wien / Köln / Graz 1987, 73.
3 ZATSCHEK Heinz, Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheit im Jahre 1859. Wien 1949, 142–143. Und MAYER Anton, Das Volksleben. Gebräuche und Sitten. In: Geschichte der Stadt Wien Band 1. Wien 1897, 559.
4 WStLA, Handschriften, A 97/1, Wiener Handwerksordnungsbuch (HWOB), fol. 117r–118v. Zitiert nach: GNEIß Markus, Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555). Edition und Kommentar (= Quellenedition des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Band 16). Wien 2017, Nr. 239, 388.
5 QGW II/1, 590.
6 Stiftsarchiv Kremsmünster, Urkunde vom 22. Juli 1367, OÖUB 8, 228, OÖUB 8, 339.
7 OÖUB 11, 574.
8 UHLIRZ Karl, Das Gewerbe. In: Geschichte der Stadt Wien Band 2. Wien 1905, 602.
9 WstLA, Handschriften, A 1/1, Wiener Stadtbuch („Eisenbuch“), 20. Juli 1361, fol. 67–68v.
10 PERGER Richard, Beiträge zur Wiener Verfassungs- und Sozialgeschichte im Spätmittelalter. In: JbVGStW 32/33. Wien 1977, 20.
11 ZATSCHEK, Handwerk und Gewerbe in Wien, 119.
12 TOMASCHEK Adolf, Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien (= Geschichtsquellen der Stadt Wien 1. Abteilung). Wien 1877, LXVIII.
13 ZATSCHEK Heinz, Handwerk, Stadt und Landesfürst. Eine Studie zur Gewerbegesetzgebung in den Anfängen Leopolds I. In: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien Band 10. Wien 1953, 138.
14 HWOB
15 UHLIRZ, Das Gewerbe, 652.
16 FEIL Joseph, Beiträge zur älteren Geschichte der Kunst- und Gewerbs-Thätigkeit in Wien. In: Berichte und Mitteilungen des Alterthumsvereines zu Wien 3. Wien 1859, 235–236.
17 UHLIRZ, Das Gewerbe, 650–651.
18 BÜTTNER Rudolf, Die mittelalterlichen Fernwaffen in Welt- und Heimatgeschichte. In: JbVGStW 14. Horn 1958, 180–181.
19 PERGER Richard, Die politische Rolle der Wiener Handwerker im Spätmittelalter. In: Wiener Geschichtsblätter 38. Wien 1983, 8 und RICHTER Holger, Die Hornbogenarmbrust. Geschichte und Technik. Ludwigshafen 2012, 143.
20 WStLA, HAUrk. 3509, 25. April 1453.
21 HWOB, A97/1, fol. 117r–118v. Nach GNEIß: Nr. 239, 388–391.
22 HWOB, A97/1. Nach GNEIß: Nr. 239, 389.
23 WstLA, Handschriften, A 1/1, Wiener Stadtbuch („Eisenbuch“), fol. 143v–144v.
24 Ebda.
25 WStLA, Handschriften, A 97/1, Wiener Handwerksordnungsbuch (HWOB), fol. 117r–118v.
26 Ebda.
27 ZATSCHEK, Die Handwerker Wiens, 33 und POPELKA Fritz, Geschichte des Handwerkes in Obersteiermark bis zum Jahr 1527. In: VSWG 19. Stuttgart 1926, 124.
28 WstLA, Handschriften, A 1/1, Wiener Stadtbuch („Eisenbuch“), fol. 143v–144v.
29 GSW III/1, 107 und GSW III/3, 3029.